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Writer's pictureBrigitte Leeser

Unverhofft kommt oft – von Hanna Hayee

Unruhig gehe ich in meinem Zimmer auf und ab. Ich hebe jedes Kissen hoch und schaue unter jedes Möbelstück, ohne Erfolg. Das kann doch nicht sein! Verzweifelt mache ich meine Tür auf. „Hat jemand meinen Traumfänger gesehen?“, schreie ich die Treppen runter und warte auf eine Antwort von meiner Familie. Da mich anscheinend niemand hört, laufe ich die Treppe hinunter und gehe ins Schlafzimmer meiner Eltern. „Hallo? Habt ihr meinen Traumfänger gesehen?“, frage ich die beiden. Mein Vater schüttelt nur den Kopf und widmet seine Aufmerksamkeit gleich wieder der Zeitung, die vor ihm liegt. Hilfesuchend blicke ich zu meiner Mutter, doch auch sie sieht mich ratlos an. „Ich weiß auch nicht, wo er sein könnte. Wann hast du ihn denn das letzte Mal gesehen?“ „Gestern Nacht hing er noch über meinem Bett und heute Morgen glaube ich auch…“, denke ich laut nach. „Der kann doch nicht einfach verschwunden sein! Du findest ihn schon.“ Aufmunternd nickt sie mir zu und ich verlasse das Zimmer enttäuscht wieder. Kraftlos gehe ich die Treppen hoch, als ich plötzlich etwas in meinem Zimmer klirren und scheppern höre. Schnell bin ich oben angekommen und reiße die Tür auf. Mit aufgerissenen Augen schaue ich mein Zimmer an. Nichts erinnert mehr an die Ordnung, die hier herrschte, als ich das Zimmer verlassen habe. Im Gegenteil, überall liegen Dinge rum und meine Regale sind wie leergefegt, weil sich alles auf dem Fußboden befindet. Wie kann das sein? Ich habe war doch eben erst hier… Ich kneife die Augen zusammen, denn inmitten dem Chaos erkenne ich ein Stück braunes Fell. Meine Katze Natascha tritt schnurrend hervor und sieht mich unschuldig an. Fassungslos schaue ich zwischen ihr und der Unordnung in meinem Zimmer hin und her. Ich bahne mir einen Weg zu meinem Stuhl und lasse mich erschöpft darauf fallen. Natascha folgt mir, als hätte sie nichts getan, jedoch scheuche ich sie mit einer schnellen Handbewegung weg. „Bitte geh einfach Natascha, ich habe gerade keine Nerven für dich!“ Jetzt werde ich meinen Traumfänger erst recht nicht finden. Ich lasse meinen Kopf auf den Tisch sinken und mache die Augen zu.


Ein leises Schnurren weckt mich auf und ich hebe müde den Kopf. Automatisch strecke ich die Hand aus, um Natascha zu streicheln, doch dann fällt mir ein, was sie angerichtet hat und ich zucke schnell zurück. Anscheinend versteht Natascha meine Signale nicht, denn sie schnurrt fröhlich weiter und streicht um meine Beine. Genervt beuge ich mich zu ihr herunter und halte ruckartig inne. Meine Katze hält nämlich meinen Traumfänger im Maul. Sanft nehme ich ihn ihr weg und betrachte ihn ungläubig von allen Seiten. Ich hebe Natascha hoch und knuddele sie als Dank, dass sie mir bei der Suche geholfen hat. 

Am Abend lege ich mich überglücklich in mein Bett und schaue an die Decke. Dort hängt mein Traumfänger, mit seinen wunderschönen Perlen und den pastellfarbenen Bändern. Erleichtert schließe ich die Augen und schlafe ein. Als ich am nächsten Morgen aufwache, fühle ich mich unfassbar ausgeschlafen, aber auch etwas anderes mischt sich in meine Gedanken. Dunkel erinnere ich mich an meinen Traum und setze mich ruckartig auf. 

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1 Comment


anna.carolina.stoecker
Jun 10, 2020

An deiner Geschichte gefällt mir besonders, dass es am Ende die Katze ist, den Traumfänger findet. Du stellst auch dieses Gefühl, dass man hat, wenn man jemandem eigentlich böse sein will, es aber doch nicht schafft toll dar. Auch dein Cliffhanger gefällt mir

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