Innerer Monolog – von Hanna Hayee
- Brigitte Leeser
- May 20, 2020
- 2 min read
Ich lehne mich an das Geländer der Brücke und überraschenderweise fühlt es sich nicht hart oder kratzig an, im Gegenteil, das Holz ist glatt und weich. Neben mir stehen zwei Frauen, wir kennen uns nicht und doch verbindet uns diese Brücke, dieser magische Ort. Ich erkenne ihre Gesichter nicht, trotzdem sind sie mir seltsam vertraut. Die beiden blicken auf die eine Seite der Brücke. Anscheinend sind sie ganz gebannt von dem Anblick, der sich ihnen bietet. Auch ich hatte einen kurzen Blick auf diese Seite geworfen, auf glasklares Wasser. In der Ferne konnte ich eine Landschaft erahnen, jedoch gab es nichts, was ich als besonders eindrucksvoll empfand. Lieber wende ich mich der anderen Seite der Brücke zu, auch wenn mich das als Außenseiterin dastehen lässt. Die andere Seite der Brücke hat etwas Geheimnisvolles an sich, ich fühle mich zu ihrem Anblick hingezogen. Das Wasser sieht genauso aus, wie auf der Seite, zu der die beiden Frauen schauen, jedoch, wohin ich hier auch schaue, ich erblicke immer nur noch mehr funkelndes Wasser. Ich erkenne mein Spiegelbild im Wasser und betrachte es nachdenklich. Auf meinem Gesicht liegt ein müder, trauriger Ausdruck, den ich sonst nicht von mir kenne. Kraftlose braune Augen und ein blasses Gesicht blicken mir entgegen. Langsam erinnere ich mich wieder daran, was ich zuvor auf der anderen Seite der Brücke gesehen hatte. Auch dort war mein Spiegelbild zu erkennen, es lag jedoch nicht derselbe Ausdruck auf meinem Gesicht. Stattdessen blickten mir zwei Augen voller Energie und Lebensfreude entgegen, meine Haut funkelte und auf meinem Gesicht lag ein Lächeln. Ich denke voller Wehmut an diesen schönen Anblick und senke meinen Blick, um erneut auf das Wasser zu schauen. Plötzlich verschwindet alles traurige, was auf meinem Gesicht lag und ein froher Ausdruck legt sich darauf. Verwundert blinzele ich, doch es ist keine Illusion. Verschwommen erinnere ich mich daran, dass sich die Ausdrücke der anderen Frauen vorhin genauso verändert haben.
Nun verstehe ich, was hier auf dieser Brücke passiert: Wir lernen uns selbst zu lieben und glücklich zu sein.
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