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Im Reich der Trolle – von Ina Kemme

  • Writer: Brigitte Leeser
    Brigitte Leeser
  • May 9, 2020
  • 6 min read

Updated: May 10, 2020

Es war ein Sonntag wie jeder andere. Ich war gerade wach geworden, hatte aber keine Lust aufzustehen. Ich blickte zu meiner grau gestrichenen Decke hoch. Ich sah eine kleine Spinne. Die meisten Mädchen hätten jetzt wahrscheinlich los geschrien, aber ich mag Spinnen. Die sind echt faszinierend wie sie sich fortbewegen. Ich starrte die Spinne noch ein bisschen an, dann drehte mich auf die rechte Seite. Dort stand mein himmelblauer Wecker auf meinem hölzernen Nachtisch. Ich blickte auf das Ziffernblatt meiner Uhr, es zeigte 10:00 an. Ich schaute mich nochmal in meinem kleinen Zimmer um. In der Ecke stand mein Schreibtisch, neben dem Schreibtisch stand mein Kleiderschrank, er ist winzig, denn ich lege nicht viel Wert auf Klamotten. An diesem Morgen roch es nach Pfannkuchen, meinem Lieblingsgericht. 

Ich wollte meine Augen gerade wieder schließen, da fiel mein Blick auf meinen blauen, flauschigen Teppich. Auf diesem lag ein grauer Mantel. Ich dachte meine Schwester hätte ihn dort vergessen. Ich stand auf und ging zu dem Mantel. Ich hob ihn hoch, irgendwie gefiel mir dieser Mantel. Ich hatte das Verlangen ihn einmal ganz kurz anzuziehen. Ich streifte den Mantel über meine Arme und knöpfte ihn zu. Ich hatte gerade den letzten Kopf geschlossen, da erschien vor mir eine Tür, sie war groß und aus dunklem Zedernholz. Ich erschrak, wie konnte das sein? Vorhin war hier doch noch keine Tür. Ich blickte mich noch einmal um, ich war in meinem Zimmer. Plötzlich fiel es mir wie Groschen von den Augen. Sicherlich war es Zauberei, ich freute mich, denn ich hatte immer daran geglaubt und wollte sofort nur durch diese Tür. Aber war das so schlau? Was wäre, wenn etwas Gefährliches hinter dieser Tür wäre? Doch meine Neugier siegte. Ehe ich mich versah, hatte ich die Türklinke schon runtergedrückt. Ich gab mir innerlich noch einen kleinen Schubs und trat über die Schwelle. 

Ich befand mich in einem Dschungel. Es war aber kein normaler Dschungel. Es war irgendwie magisch. Es roch nach Zuckerwatte und auf den Bäumen wuchsen Marshmallows und Gummibärchen. Plötzlich ich sah ein fliegendes Einhorn. Viele hätten ihren Auen nicht getraut, aber ich wusste schon immer, dass es so etwas wie das hier gab. Ich freute mich einfach nur jetzt hier zu sein. Neben mir raschelte ein Busch, ich wurde aus meinen Gedanken gerissen. Ich schaute runter. Gab es hier etwa auch Pumas und Löwen und Leoparden? Doch keines dieser Tiere trat aus dem Busch, stattdessen sah ich einen kleinen Jungen mit grüner Haut und großen, spitzen Ohren. Ich erkannte diese Kreatur sofort – es war ein Troll! „Endlich bist du da!“, sagte er, „wir warten schon so lange auf dich!“ „Was? Wer? Wieso ihr?“, stammelte ich. „Keine Angst, ich erkläre es dir auf dem Weg“, antwortete er. Er pfiff durch seine Zähne und ein schwarzer Pegasus erschien. Er schwang sich darauf und sagte zu mir: „Steig auch auf!“ Ich schwang mich auf den Rücken des Pegasus, bei mir sah es aber allerdings nicht so elegant aus wie bei dem Troll-Jungen. Wir flogen los. „Wer bist du eigentlich?“, fragte ich. Ich verspürte keine Angst, weil der Troll-Junge so nett auf mich wirkte. „Mein Name ist Jaromir, ich bin ein Troll, wie man unschwer erkennen kann. Ich lebe hier im Zauberwald schon seitdem ich denken kann.“ Wusste ich’s doch! Es gab eben doch Zauberei. „Wieso sollte ich mitkommen?“, fragte ich unsicher. „Nun ja“, sagte Jaromir „wir Trolle schicken schon seit Jahren Zeichen in die Menschenwelt, damit einer von euch zu uns kommt.“ „Ach so“, sagte ich „deshalb also der Mantel“. „Genau“, sagte Jaromir „du musst uns nämlich helfen.“ „Wobei denn?“, fragte ich. „Nun eine Kleinigkeit“, entgegnete Jaromir „bei uns im Land gibt es nämlich einen geheimen Schatz. Wir brauchen ihn für meinen kranken Vater, um ihn zu heilen. Allerdings kann nur ein Mensch diesen Schatz finden.“ „Okay“, sagte ich. Ich wollte diesen Trollen unbedingt helfen. „Aber wie soll ich ihn finden?“, fragte ich. „Die Karte, die zum Schatz führt, wurde zweigeteilt. Die eine Hälfte haben wir und die andere Hälfte haben die Feen. Um den Schatz zu finden, müsstest Du die zweite Hälfte von den Feen holen.“ „Aber wieso habt ihr das denn nicht gemacht?“ „Wir können leider wegen einer alten Feindschaft nicht zu den Feen. Es kann nur ein Mensch hin, denn die Feenburg ist ein einziger Hochsicherheitstrakt. Allerdings können nur zauberhafte Wesen von den Fallen erfasst werden. Vor den Feen musst du dich in Acht nehmen, weil sie dich natürlich verzaubern können.“ „Okay, und wo fliegen wir jetzt hin?“, fragte ich. „Na ja, ich will jetzt gleich mit dir dorthin, dann haben wir es hinter uns.“ Ich nickte, aber innerlich war ich sehr aufgeregt. Wir flogen noch sehr lange durch den Zauberwald und Jaromir erklärte mir einiges Wissenswerte über die Feen. Als wir an der Burg ankamen, staunte ich über ihre Schönheit. Wir landeten in einem Gebüsch vor der Burg. „Los jetzt“, sagte Jaromir zu mir. Ich machte mich auf den Weg. Ich ging durch das große, weite Burgtor. Keine Wachen weit und breit zu sehen. Ich schlich mich weiter bis in einen großen und düsteren Gang mit rosa Teppichboden. Dieser führte mich in einen geräumigen Speiseraum mit rosa Deckenleuchten, die diesen in rosa Licht tauchten. Wie Jaromir es mir gesagt hatte, schliefen alle Feen bei Tag und erwachten bei Nacht. Ich kam durch viele schöne und interessante Zimmer bis ich den Tresorraum fand. Dort befand sich ein riesiges Zahlenschloss. Davon hatte mir Jaromir nichts erzählt. Ich wurde nervös und zitterte am ganzen Körper. Ich erinnerte mich allerdings daran, dass Jaromir mir erzählt hatte, dass die Lieblingszahl jeder Fee 7 sei. Ich tippte 7777 in den Code ein. Mein Finge schwitzten. Wenn das jetzt falsch war, dann würde bestimmt der Alarm angehen. Doch zu meiner Erleichterung öffnete sich die Tür mit einem leisen Klick. Ich schlich mich in den Raum, überall in der Kammer funkelte und glitzerte es. In der Mitte des Raumes lag auf einer roten, mit Samt gepolsterten Erhöhung die fehlende Hälfte der Karte. Ich nahm sie und rannte los. Nichts wie weg hier, dachte ich mir. Auf dem Weg nach draußen begegneten mir keine Feen. Ich rannte zum Busch und übergab Jaromir das fehlende Stück der Karte. „Vielen Dank“, sagte er und riss mir die Karte aus den Händen. In seinen Augen sah ich ein boshaftes Funkeln. Ich achtete aber nicht weiter darauf. Wir schwangen uns auf den Pegasus, der übrigens Ferdinand hieß und sehr nett war, und flogen los, bis wir schließlich auf einer großen Lichtung ankamen. Auf der waren viele Zelte aufgestellt, in den die Trolle wohnten. Wir landeten auf einer speziell dafür eingerichteten Landebahn und rannten sofort zu dem größten und stärksten Troll. Jaromir hatte mir davor erzählt, dass dieser Troll der Meister sei. Jaromir übergab ihm die Karte und da sah ich wieder dieses boshafte Funkeln in den Augen des Meisters. Jaromir kam zu mir zurück und sagte: „Wir müssen jetzt sofort aufbrechen, denn wir wissen, wo der Schatz ist.“ Inzwischen war es schon dunkel geworden. Ich verspürte eine leichte Müdigkeit, nickte aber trotzdem zustimmend. Dieses Mal liefen wir zu Fuß, was zugegeben viel anstrengender war als auf dem Pegasus zu fliegen. Wir liefen ungefähr eine halbe Stunde durch den Dschungel bis wir an einem Wasserfall ankamen. „Hier ist es“, sagte Jaromir. Er warf einen Blick auf die Karte. „Hier steht, du musst deine Hand auf diesen Stein legen.“ Ich tat, wie mir geheißen. Mit einem Mal öffnete sich der Wasserfall wie ein Vorhang. Wir gingen hindurch und kamen in eine dunkle Höhle, die sich dahinter verbarg. Ich hörte Wasser tropfen. Wir gingen tiefer in die Höhle hinein, bis wir an einer Tür ankamen, die mit Moos bewachsen war. Es war sehr unheimlich hier. „Du musst diese Tür öffnen“, sagte der Troll, was ich auch tat. Hinter der Tür kam wieder eine Höhle zum Vorschein, diese war aber hell. In der Mitte stand ein goldenes Zepter, was mit Diamanten besetzt war. Jaromir stürmte los. Plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen und eine Stimme rief „Halt!“ Hinter mir erschien eine Fee, sie hatte Jaromir verzaubert, so dass er sich nicht mehr bewegen konnte. „Was soll das?“, sagte ich „wir müssen doch seinem Vater helfen!“ „Seinem Vater?“ Die Fee lachte. „Da haben dir die Trolle schöne Lügenmärchen erzählt. Wer auch immer dieses Zepter besitzt, hat die Herrschaft über das ganze Fantasieland.“ „Was?“, rief ich erschrocken „wieso hast du mir das nicht erzählt Jaromir?“ Der Troll, der sich zwar nicht bewegen, aber sprechen konnte, schrie verärgert: „Ja es ist wahr! Wir Trolle hätten die ganze Macht bei uns und würden regieren. Alle würden unsere Untertanen sein. Es hätte auch fast geklappt, wenn nicht diese blöde Fee dazwischengekommen wäre!“ „Zum Glück war ich zu rechten Zeit hier“, sagte die Fee „und nun müssen wir das Zepter am besten zerstören, damit so etwas nie wieder passiert!“ Ich nahm das Zepter, warf es auf den Boden und zertrampelte die vielen Einzelteile. 

Plötzlich befand ich mich wieder in meinem Zimmer. Der Mantel war weg und ich ging zufrieden runter zum Frühstück und beschloss, niemanden davon zu erzählen. Es war mein Geheimnis.



 
 
 

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