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Die Schwestern – von Julia Brandes

  • Writer: Brigitte Leeser
    Brigitte Leeser
  • May 20, 2020
  • 1 min read

Sie redet und redet ewiglich. 

Merkt sie nicht, ich versteh‘ ihre Worte nicht. 

Merkt sie nicht, dass jemand hinter ihr steht. 

Jemand den ich retten wollt‘, doch dafür ist es zu spät. 

Jemand den ich liebte, doch sie ist gegangen. 

Es schien immer so als wäre sie in ihren Gedanken gefangen.

Die andere vor mir, sie hört niemals auf.

Sie redet und redet, kommt doch nicht darauf.

Und hinter ihr steht immer noch sie.

Sie gleicht meiner Schwester wie eine Kopie.

Es ist als wäre sie es, doch sie ist gegangen,

sie hat sich von ihren Gedanken befreit,

nun ist sie nicht mehr gefangen.

Sie ist fort, dort an diesem wunderbaren Ort.

Ich sehe sie nur noch in meiner Fantasie,

seit sie aus dem Leben flieh.

Die andere, meine Schwester in ihrem roten Kleid,

sie redet und redet merkt nichts von meinem Leid.

Ich sehe in das Wasser, das dunkle Tief,

in dem sie vor kurzem für immer einschlief.

Dennoch ist sie hier und jagt mir Schauer über den Rücken.

Ich vermisse sie, aber ihr Dasein kann mich nicht entzücken.

Ich will reden und reden, genau wie sie, den Schmerz unterdrücken,

Doch wann immer ich es versuche, es will mir missglücken.

Also bleibe ich hier stehen, höre, wie sie redet, sehe wie sie steht,

eisern steht, ein jedes Mal, sich nie von mir wegdreht.

Es ist, als wäre ich in ihren Gedanken gefangen,

als würde sie mit mir bangen,

als würde sie verstehen und mir dabei zusehen,

verstehen wie es ist, unterzugehen,

verstehen wie es ist, den Atem geraubt zu bekommen.

Zu tiefst traurig und dennoch vom Glück benommen.



 
 
 

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