Ein warmer Sommertag! Meine Freunde und ich verbringen gemeinsam Zeit am Strand, wir spielen Volleyball und sonnen uns im Strandkorb. Ich genieße den Ausblick auf das tiefblaue und weite Meer, den wolkenlosen Himmel und den endlosen Sandstrand. Meine Freundin stupst mich an. „Kommst du auch mit ins Meer Alea?“ Ich zucke bei dem Wort Meer unmerklich zusammen und schüttele nur leicht den Kopf. Schulterzuckend steht meine Freundin auf und geht mit den anderen ins Wasser. Neidisch, aber gleichzeitig auch voller Sorge beobachte ich sie. Wie gerne würde ich jetzt mit ihnen um die Wette schwimmen und einfach das Gefühl im Wasser zu sein genießen. Ich vermisste die angenehme Nässe auf meiner Haut und den Hauch von Freiheit, den ich immer beim Schwimmen empfunden habe.
Schon als Kind bin ich unglaublich gerne und vor allem im Meer geschwommen. Schwimmbädern konnte ich nicht viel abgewinnen, genauso wenig wie Pools. Ich brauchte die Unendlichkeit des Meeres und den salzigen Geschmack in meinem Mund. Meine Eltern brachten mir so früh wie möglich das Schwimmen bei und seitdem war es meine Leidenschaft. Ich war keine Leistungsschwimmerin und konnte auch nicht alle Schwimmstile, doch ich entwickelte eine Liebe zum Meer. Natürlich war es von Vorteil, dass wir direkt an der Küste wohnen, so konnte ich schon beim Aufstehen einen Blick auf das glitzernde Meer erhaschen. Es wurde zu meinem Morgenritual, dass ich jeden Tag bei Sonnenaufgang eine Runde im Meer schwamm. An jedem einzelnen Tag stieg ich glücklich aus dem Wasser, an jedem Tag trug ich ein Lächeln auf den Lippen, bis auf diesen einen Morgen.
Es war ein ganz normaler Frühlingstag und ich wachte wie jeden Morgen kurz vor Sonnenaufgang auf. Ich musste mir noch nicht mal mehr einen Wecker stellen, da mein Körper sich an diese Zeit gewöhnt hatte und ich von alleine wach wurde. Lächelnd stieg ich aus dem Bett, schob den Vorhang zu Seite und schaute nach draußen. Obwohl es noch dunkel war, konnte ich in der Ferne das Meer erahnen. Eilig schlüpfte ich in meine Schwimmkleidung und machte mich auf den Weg zum Strand. Als ich ankam, fielen schon die ersten Sonnenstrahlen auf die Oberfläche des Wassers. Ich zog meine Schuhe aus, lief über den weichen Sand und stieg vorsichtig in das kühle Nass. Mit langsamen Zügen wärmte ich mich auf und schwamm dann immer schneller und immer weiter heraus. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen, um die Atmosphäre einzufangen. Ich lauschte dem Rauschen der Wellen und spürte die Kraft des Wassers in meinen Beinen. Doch da war noch etwas anderes, das ich plötzlich bemerkte und ich öffnete irritiert die Augen. Ich wollte einen weiteren Zug schwimmen, jedoch konnte ich mein linkes Bein nicht bewegen. Noch einmal probierte ich weiter zuschwimmen, aber mein Bein war immer noch gefangen. Es fühlte sich umschlungen an und kurzentschlossen tauchte ich unter, um zu sehen, was dort unten war. Unter Wasser musste ich mich für einen kurzen Augenblick daran gewöhnen die Augen offen zu haben, dann schaute ich mir mein Bein genauer an. Es waren Algen, die mich festhielten und sie waren so stark, dass ich sie nicht durchtrennen konnte. Verzweifelt tauchte ich wieder auf und bekam Panik. Wieder und wieder versuchte ich mein Bein zu lösen, ohne Erfolg. Die ersten höheren Wellen brachen über mich hinein und ich war gefangen in der Tiefe des Meeres.
Ich schüttele den Kopf, um diese dunkle Erinnerung zu vertreiben, denn ich hatte mir doch geschworen nie mehr an diesen Moment zu denken. Anstatt Trübsal zu blasen, sollte ich froh sein, dass ich nicht ertrunken bin. Wieder einmal frage ich mich, was geschehen wäre, wenn mein Bruder mich bei seiner morgendlichen Joggingrunde nicht entdeckt hätte. Dann wäre ich einsam und verlassen untergegangen. Seit diesem Ereignis habe ich unglaubliche Angst vor dem Meer. Ich habe keine Angst zu schwimmen, sondern Angst wieder in die Tiefe gezogen zu werden, wieder dieses Gefühl der Hilflosigkeit zu spüren. Gedankenverloren starre ich auf das Meer, das ich immer geliebt habe und dass ich nun fürchte. Ich lasse meinen Blick schweifen. Meine Freunde sind nicht zu sehen. Wahrscheinlich sind sie schon zu weit rausgeschwommen. Auf einmal halte ich inne und kneife die Augen zusammen. Mitten in dem blauen Meer sehe ich eine gräuliche Flosse. Sie ist noch nicht einmal weit von mir entfernt, ich kann sie mit bloßem Auge erkennen. Langsam stehe ich auf und mache ein paar Schritte auf das Wasser zu. Die Flosse ist immer noch zu sehen und bewegt sich sogar auf mich zu! Sie ist zu klein für die von einem Hai, aber ein Delfin könnte es sein. Und tatsächlich, in diesem Moment taucht der unbekannte Fisch auf und streckt seinen Kopf in die Höhe. Es ist ein Delfin! Mein erster Reflex ist, ein Foto zu machen, doch ich möchte ihn nicht erschrecken. Stattdessen bleibe ich wie angewurzelt stehen und schaue fasziniert auf den Delfin. Nun taucht er wieder unter, schwimmt auf mich zu und taucht wieder auf. Er dreht sich um, bedeutet er mir etwa ihm zu folgen? Früher hätte ich mich ohne zu zweifeln ins Wasser gestürzt, doch jetzt zögere ich. Soll ich mich wirklich wieder trauen? Ich schaue zwischen dem Delfin und dem Meer hin und her und bewege mich langsam ins Wasser. Als ich bis zu den Schultern im Meer stehe, bleibe ich stehen. Der Delfin ist immer noch an derselben Stelle, nun stößt er ein Geräusch aus. Als ob er meine Zweifel spüren würde, schwimmt er auf mich zu und taucht wenige Meter vor mir wieder auf. Zögerlich schwimme ich einige Züge, bis ich direkt neben dem Delfin bin. Er streckt seinen Kopf in die Höhe und ich muss lachen, weil ich auf einmal gar keine Angst mehr verspüre. Ich schwimme weiter, der Delfin bleibt neben mir und mit jedem Zug werde ich freier. Freier von meiner Angst und all den Sorgen, die ich zuvor hatte. Und in diesem Augenblick gibt es nur den Delfin, das Meer und mich.
Sehr inspirierend und angenehme zu lesen. Gefällt mir.
Mir gefällt deine Geschichte sehr gut. Besonders schön finde ich das überraschende Happy End