Alles hat zwei Saiten – von Hanna Thimm

Silvio Harryson wohnt seit drei Wochen in einem kleinen Motel direkt an einem Fluss. Gerade schaut er aus dem weit geöffnetem Fenster. Eine weiße Wolke schiebt sich in sein Blickfeld. Unter dem Fenster steht ein leicht gekippter Schreibtisch. Auf diesem Schreibtisch liegt eine Zeitung, darauf die Gitarre, die sein Freund Marlon ihm geliehen hat. Auch die Rose, die auf der Gitarre liegt, hat etwas mit ihm zu tun. Er will sie ihm schenken als Dank dafür, dass er ihm die Gitarre geliehen hat. Unter der Gitarre liegt weißes Notenpapier, auf das er ein Paar Noten schreiben wollte. Auf dem Notenpapier steht ein leeres Weinglas. Es klopft an der Tür. Silvio öffnet. Es ist Marlon, der mit seinem Eintreten einen pfefferminzigen Rasierwasserduft hineinbringt. „Da bist du ja Marlon! Da auf dem Tisch liegt sie“, sagt Silvio zu Marlon. Marlon nimmt die Gitarre in seine Hände. Silvio stellt sich neben ihn. Marlon drückt ihm die Gitarre in die Hand und sagt: „Spiel du mir das Lied vor, das du gestern gedichtet und auf der kleinen Bühne unten im Café vorgetragen hast!“ „Na gut“, sagt Silvio. Er spielt die ersten Akkorde und singt: „Heute sitz‘ ich hier in meinem kleinen Quartier, vor mir das Notenpapier, und die Gitarre von dir, ich seh‘ aus dem Fenster, draußen Wolkengespenster…“ Weiter kommt er nicht, denn in diesem Moment reißt ihm eine Saite. Das sanfte Plätschern der Wellen vor dem Fenster ist das einzige was man hört. Dann brechen sie beide in Lachen aus.